Präsident Eberhard Sinner begrüßt Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, die Vertreter des konsularischen Korps, die zahlreichen Abgeordneten des Bayerischen Landtags und alle anwesenden Gäste. Er bittet um eine Schweigeminute im Gedenken an unser vor Kurzem verstorbenes Vorstandsmitglied Gerhard Hermann.

 

Er verweist auf die langjährigen Kontakte des OWWF Bayern insbesondere auch nach Russland. Ein Höhepunkt der Beziehungen war das 2012 anlässlich eines Moskau- und Wolgogradsbesuches vereinbarte Projekt einer Friedenskapelle, platziert zwischen dem sowjetischen und dem deutschen Soldatenfriedhof auf dem Schlachtfeld von Stalingrad. Dieses "Europäische Haus" ist das erste Denkmal der Versöhnung, das von der deutschen Zivilgesellschaft in Russland errichtet wurde. Schirmherren der Kapelle waren der russische Außenminister Lawrow und der damalige deutsche Außenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, die im Jahre 2015 die Baustelle gemeinsam besuchten und den Grundstein legten. Die damals gehegte Erwartung auf ein friedliches Zusammenwachsen Europas wurde durch den russischen Übrfall auf die Ukraine endgültig zerstört, die bereits damals vorhandenen Zeichen – Tschetschenienkrieg ab 1999, Georgien/Kaukasuskrieg 2008, Annektion der Krim und aktive Unterstützung der ostukrainischen Separatistenbewegung 2014 – wurden im Westen nicht richtig gedeutet.

Hier ein kleines Kaleidoskop zu Rossoschka und Fotos der Weihe der Kapelle im Jahr 2016,

 

Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm erklärte in seinem hervorragenden Referat die Weiterentwicklung des Begriffes des "gerechten Krieg"  zum "gerechten Frieden".

 

Zum Manuskript der Rede, im Folgenden eine kurze Zusammenfassung

Der Bischof betonte zu Beginn die Dringlichkeit des Themas und die Notwendigkeit, sich trotz der Vielzahl von Kriegen weltweit nicht gegenüber dem Ukraine-Krieg abzustumpfen. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bringt das Sicherheitsgefühl ins Wanken und hat globale Auswirkungen, wie die steigende Zahl der Hungertoten durch die Verknappung lebenswichtiger Güter zeigt.
Die Besorgnis des Bischofs liegt darin, dass fast ausschließlich über militärische Lösungen diskutiert wird, während andere Möglichkeiten kaum Beachtung finden. Er plädiert für Nachdenklichkeit und betont, dass militärische Gewalt immer nur ein trauriges Notmittel sein kann und niemals eine Eigendynamik entwickeln sollte.


Angesichts der aktuellen Situation mit dem Einsatz deutscher Panzer im Ukraine-Krieg spricht der Bischof von einer "Zeitenwende", betont jedoch, dass dies keine Umkehrung ethischer Werte oder außenpolitischer Grundsätze bedeuten darf. Der Schutz der Ukrainer vor russischer Aggression könnte die einzige Rechtfertigung für den Einsatz deutscher Panzer sein.


Der Bischof fordert eine gründliche Analyse der Ursachen und eine Konsequenzen für die Gewaltprävention in der Zukunft. Er stellt die Frage nach ethisch vertretbaren Handlungsoptionen angesichts der aktuellen Lage und betont, dass Krieg immer eine Niederlage ist und militärische Gewalt nie gerecht, sondern schrecklich ist. Dennoch kann es Situationen geben, in denen der Verzicht darauf noch schrecklicher wäre.
Der Bischof möchte eine "Landkarte" der friedensethischen Diskussion aufzeigen und den Verlauf der Diskussion seit dem Fall der Mauer skizzieren, wobei er besonders auf die kirchliche Urteilsbildung eingeht.
Der Vortrag des Landesbischofs Bedford-Strohm bietet somit einen Einblick in die ethischen Fragen und Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg ergeben, und ruft zu Nachdenklichkeit und einer breiteren Diskussion über nicht-militärische Lösungsmöglichkeiten auf.


Landesbischof Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm präsentiert in seinem Vortrag eine Landkarte der friedensethischen Diskussion. Er identifiziert vier Positionen innerhalb dieser Debatte

  • Unbedingter oder deontologischer Pazifismus: Diese Position schließt die Anwendung militärischer Gewalt von vornherein aus, basierend auf der unbedingten Pflicht zur Gewaltfreiheit. Biblische Texte, insbesondere die Gebote der Bergpredigt Jesu, werden als Grundlage angeführt.
  • Argumentativer Pazifismus: Diese Position integriert politische Analysen neben biblischen Normen in ihre ethische Begründung. Die Schlussfolgerung lautet, dass Gewalt noch nie zum Frieden geführt hat und daher die Gewaltfreiheit die einzig vernünftige Option ist. Ausnahmen von der Gewaltfreiheit können in bestimmten Situationen diskutiert werden.
  • Verantwortungspazifismus: Hier wird die Gewaltfreiheit bevorzugt, aber es wird anerkannt, dass in bestimmten Situationen eine Anwendung von Gewalt als "unmögliche Möglichkeit" ethisch erlaubt sein kann. Gewaltanwendung wird immer mit Schuld verbunden gesehen.
  • Gerechtigkeitsethischer Ansatz: Diese Position betont die Option für die Schwachen, den Schutz der Menschenwürde und den Schutz vor Gewalt. Konflikte zwischen diesen Prinzipien erfordern eine Analyse der Situation, um zu bestimmen, ob die Anwendung von Gewalt gerechtfertigt oder sogar geboten ist.


Der Bischof weist darauf hin, dass die gerechtigkeitsethische Position die Grenze dessen darstellt, was aus der Sicht des christlichen Glaubens als legitim angesehen werden kann. Dahinter steht die lange Tradition der "Lehre vom gerechten Krieg". Diese Lehre legt Kriterien für gerechte Kriege fest, wie eine legitime Autorität, einen gerechten Grund, das äußerste Mittel, eine richtige Absicht und einen angemessenen Modus der Gewaltanwendung.


Der Bischof verweist auch auf die Entwicklung der friedensethischen Debatte seit dem Fall der Mauer. Neue Formen von Konflikten, wie der Terrorismus und die Notwendigkeit des Schutzes von Menschen vor brutaler Gewalt, haben zu Fragen an die streng pazifistische Position geführt. Es wurde erkannt, dass es Situationen geben kann, in denen militärische Mittel ethisch legitim oder sogar erforderlich sein können, um bedrohte Menschen zu schützen.


Abschließend betont der Bischof, dass die Position des gerechtigkeitsethischen Ansatzes Kriterien des gerechten Krieges aufgreift, aber nicht als allgemeine Legitimierung militärischer Herangehensweisen dienen kann. Es bleibt wichtig, die ethische Diskussion fortzusetzen und die Anwendung von Gewalt stets kritisch zu hinterfragen.


Die Minimierung militärischer Gewalt bleibt das zentrale Ziel evangelischer Urteilsbildung in der Friedensethik. Dennoch erfordert der Umgang mit tatsächlicher militärischer Aggression eine kontinuierliche Weiterentwicklung der ethischen Reflexion. Angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist es wichtig, die Prinzipien des gerechten Friedens und der rechtserhaltenden Gewalt zu beachten.
Der Weltkirchenrat, einschließlich der russisch-orthodoxen Kirche, hat den russischen Angriff auf die Ukraine einstimmig als illegal und nicht zu rechtfertigen verurteilt. Der Konsens sowohl unter den Staaten als auch unter den Kirchen ist deutlich. Dieser große weltweite Konsens hat die Bedeutung eines sofortigen Waffenstillstands und von Dialog und Verhandlungen zur Erreichung eines nachhaltigen Friedens betont. Gleichzeitig wird der Missbrauch von Religion zur Rechtfertigung von bewaffneten Angriffen und Hass strikt abgelehnt.


Der Weltkirchenrat hat eine Friedensinitiative gestartet, die darauf abzielt, die Gewalt zu überwinden und den Dialog zwischen den ukrainischen und russisch-orthodoxen Kirchen zu fördern. Ein geplanter Runder Tisch in Genf soll die Möglichkeit bieten, gemeinsame Lösungen zu finden und den Friedensprozess voranzutreiben. Es ist wichtig, dass die Kirchen einen Beitrag zur Überwindung der Gewalt leisten und neue Türen für den Frieden öffnen.


Aus dieser Situation ergeben sich drei Einsichten für die Zukunft. Erstens: Unter bestimmten Umständen ist es moralisch legitim, sich zu verteidigen, auch mit Waffen, wenn es die einzige wirksame Möglichkeit ist und unter Einhaltung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Zweitens darf die Aufmerksamkeit für militärpolitische Aspekte der Friedenssicherung die Bedeutung von Abrüstungsstrategien nicht schmälern. Statt mehr Geld für Rüstung auszugeben, ist eine friedens- und sicherheitspolitische Intelligenz erforderlich. Drittens bleibt die Unterfinanzierung ziviler Maßnahmen zur Rettung von Menschenleben ein moralischer Skandal. Die absurde Verteilung von Ressourcen zwischen Rüstungsausgaben und menschlicher Entwicklung muss von den Kirchen immer wieder thematisiert werden, um gewaltsamen Konflikten vorzubeugen.


Das Friedenszeugnis der Kirchen bedeutet, dass der "Friede höher ist als alle Vernunft" und damit konkrete weltliche Konsequenzen hat. Die Kirchen sind aufgerufen, dieses Zeugnis zu leben und zu verstehen, dass der Frieden untrennbar mit Gerechtigkeit und der Sorge um die Menschheit verbunden ist.

 

 

 

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